Ärztinnen und Karriere: "Führungsstarke Frauen gelten als zickig". Am Beginn des Medizin-Studiums sind Frauen in der Überzahl, aber wenn es um Chefpositionen geht, müssen Ärztinnen für die Karriere kämpfen - doch nur wenige haben Erfolg.
- Süddeutsche Zeitung / Onlineausgabe 09.09.2004

 

"Man darf nie beleidigt sein. Nie." Bei einer Frau habe sowieso jeder den Eindruck, sie hyperventiliere bereits, wenn sie noch völlig ruhig sei. "Das ist das Schlimmste, was einem passieren kann, das Allerschlimmste. Wenn ein Mann sagt: Werd jetzt nicht so emotional. Damit erledigen sie Dich. Selbst dann, wenn sie selbst gefühlsgetrieben argumentieren."
- Karen Heumann, Hamburger Werbeagentur Jung von Matt, Zitat aus „Strategin mit Grazie“ Spiegel spezial 01/2008, S. 57

 

Obwohl Frauen an Schulen, Universitäten und im Beruf oft besser abschneiden als viele Männer, sind die alten Vorurteile unausräumbar: Frauen seien weniger qualifiziert und zu emotional, um führen zu können.
- Spiegel spezial 01/2008, S. 59

 

In der Medizin sind Frauen in Führungspositionen sowohl im klinischen als auch im wissenschaftlichen Bereich deutlich unterrepräsentiert. Während im Medizinstudium noch eine annähernde Gleichverteilung der Geschlechter besteht, geben viele karriereorientierte Frauen ihren geplanten Weg aus verschiedenen Gründen vorzeitig auf. Berufliche und persönliche Qualifikationen alleine reichen jedoch oft nicht aus, um die beruflichen Ziele zu verwirklichen. Während zum jetzigen Zeitpunkt bereits mehr Frauen als Männer mit dem Medizinstudium beginnen und auch die Zahl der Promotionen relativ ausgeglichen ist, beträgt der Anteil der Habilitationen bei Frauen zwischen 10 und 20%. Deutlich stärker wird die Ungleichheit der Geschlechter sichtbar bei der Vergabe von entsprechenden Positionen. Während befristete Stellen für 40% vergeben werden, sind unbefristete Stellen nur mit 20% von Frauen besetzt. Bei den C4/W3 bzw. C3/W2 Professuren ist der Anteil dann jedoch auch noch deutlich unter 10%. (Daten der Universität Göttingen 2007)

 

Zu den Gründen, warum höhere Positionen möglicherweise nicht erreicht werden, stehen neben externen Faktoren insbesondere auch Zweifel bei den Frauen selbst. Studienergebnisse zeigen, dass das berufliche Selbstvertrauen von berufstätigen Ärztinnen im Laufe der Zeit sinkt, während das ihrer männlichen Kollegen steigt. Sowohl Frauen als auch Männer neigen dazu, Frauen unterzubewerten und Männer überzubewerten. Eine Folge solcher zumeist unbewusster Verhaltensweisen kann eine Benachteiligung und subtile Diskriminierung von Frauen sein. Die Zuschreibung von Attributen bezüglich der Anforderung an den Beruf sowie der Befähigung, die erforderlichen Leistungen erbringen zu können, verstärkt die horizontale und vertikale Segregation. Das Engagement der Patientinnen- und Patientenversorgung spielt in den meisten Fällen eine nachrangige Rolle.

Ärztinnen, die sich um eine Professur bewerben, messen der Krankenversorgung, die häufig auf Kosten der wissenschaftlichen Tätigkeit geleistet wird, oftmals eine höhere Bedeutung bei als ihre männlichen Mitbewerber. Auch dieses geschieht auf Kosten der wissenschaftlichen Tätigkeit. Dies führt letztendlich oft zu einer höheren Anzahl an Publikationen bei den Männern. Männer verfügen darüber hinaus in einer Bewerbungssituation um eine leitende Position meistens über ein Beziehungssystem, wobei die sich aus dem Status ergebende Autorität von den aktuellen auf die zukünftigen Professoren übertragen werden. Frauen verfügen oft über kein vergleichbares Netzwerk. Als ein weiteres Problem wird die geringere Mobilitätsneigung von Wissenschaftlerinnen gesehen. Diese sind tendenziell seltener bereit, zu einer Anstellung in eine andere Stadt oder ein anderes Land zu ziehen, wenn dies z. B. nicht zusammen mit dem Partner oder der Familie möglich ist. Da die medizinischen Fächer von spezieller Mutterschutzbestimmung betroffen sind, führt die Familiengründung insbesondere bei Ärztinnen oft zu einer deutlichen Verzögerung der Ausbildung und wissenschaftlichen Qualifikation. Somit kann sich die Ausbildung und damit auch der Zeitpunkt bis zur Habilitation um mehrere Jahre verlängern. Frauen, die sich auf entsprechende Professuren bewerben, sind in Relation somit älter als die männlichen Kollegen. Auch das Problem von Vereinbarkeit von Kindern und Karriere stellt sich in der Medizin aufgrund der hohen zeitlichen Arbeitsbelastung als außerordentlich belastend dar. Die bisherige Kinderbetreuungssituation allgemein, aber auch an den Medizinischen Fakultäten deutscher Universitäten erweist sich bisher als äußerst defizitär.
(aus: Frauen in der Medizin, Bericht der Bund-Länder-Kommission vom 05.07.2004)

 

Zahlreiche Universitäten haben diese Problematik erkannt und versucht, Abhilfe zu schaffen. Der Frauenanteil unter den Professuren ist auf einen neuen Höchststand gestiegen, im vergangenen Jahr lehrten und forschten rund 5700 Professorinnenn in Deutschland. Der Anteil von Lehrstuhlinhaberinnen stieg seit 1995 von 8 auf 15% an. Insgesamt deutet sich somit eine Änderung des Anteils von Frauen im wissenschaftlichen System an. Verschiedene Förderprogramme haben zu diesem Erfolg beigetragen. Hochschulsonderprogramme, Habilitationsprogramme, Stipendien und Mentoringprojekte wurden an zahlreichen Hochschulen in Deutschland durchgeführt.

 

Hoch aktuell hat das BMBF am 08.03.2008 ein Programm gestartet, welches in den kommenden 5 Jahren 200 neue Stellen für Professorinnen an den Deutschen Hochschulen schaffen soll. Dafür werden insgesamt 75.000.000,-- € zur Verfügung gestellt, die Länder beteiligen sich anteilig an dem Gesamtvolumen. Spezifisch für das sogenannte Professorinnenprogramm ist, dass die Förderung eine positive Begutachtung eines Gleichstellungskonzeptes der sich bewerbenden Hochschule voraussetzt. Es werden Hochschulen, die sich bereits bezüglich der Frauenförderung engagiert haben, deutlich bevorzugt. Berufen werden sollen Frauen auf unbefristete Professuren, die Kosten werden allerdings nur über 5 Jahre finanziert.

H. Siggelkow / G. Lehmann

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